Als Selbständige/r Honorare verhandeln

Schon die erste Frage der Journalistin fand ich symptomatisch: „Wie gelingt es Selbstständigen, Honorarverhandlungen nicht als notwendiges Übel anzusehen?“

Wenn wir die Verhandlungen um unsere Dienstleistungen und Preise als „Übel“ ansehen, dann wird es uns nicht gelingen, entspannt und aufmerksam ins Verhandlungsgespräch reinzugehen.

Dabei ist das gar nicht schwer! Manfrau kann so vieles vorbereiten! In untenstehendem Interview mit Kerstin Smirr von lexware gebe ich ausführliche Tipps, worauf besonders FreiberuflerInnen und Dienstleistende achten sollten, wenn und ehe sie mit Auftraggebenden verhandeln.


Honorare geschickt verhandeln – Interview mit Anja Henningsmeyer

Über Geld spricht man nicht? Bei Solo-Selbstständigen gilt das kaum. Insbesondere Freelancer:innen im B2B kommen im Gespräch mit Kund:innen am Thema Honorar nicht vorbei. Verhandlungsexpertin Anja Henningsmeyer erklärt im Interview, wie Selbstständige ihre Preisvorstellungen durchsetzen können.

 

lexfree: Wie gelingt es, als Selbstständige:r Honorarverhandlungen nicht als notwendiges Übel anzusehen?

Anja Henningsmeyer: Diese Frage finde ich symptomatisch. Verhandeln hat in der deutschen Kultur leider kein gutes Image. Dabei ist es doch so, dass wir dabei unser Gegenüber mit seinen Wünschen, Anforderungen und seiner Persönlichkeit kennenlernen. Es geht nicht immer nur ums Geld. Verhandeln ist ein Interessensausgleich und es hilft, den Verhandlungsprozess spielerisch zu sehen. Nehmen Sie sich Kinder zum Vorbild. Die sind oft knallharte Verhandler und versuchen jedes Mal im Supermarkt mit einer neuen Vorgehensweise, Süßigkeiten zu bekommen. Von ihnen können Erwachsene methodisch eine Menge lernen. Zum Beispiel, dass hohe Forderungen nicht automatisch die Beziehung zum Anderen gefährden. Und dann heißt es: üben, üben, üben.

 

lexfree: Es kommt also auf die richtige Vorbereitung an?

Anja Henningsmeyer: Ja, sie ist entscheidend für den Verhandlungserfolg. Selbstständige sollten recherchieren, welche Honorare in der Branche üblich sind, damit sie sich daran orientieren können. Sie müssen auch wissen, wo sie als Dienstleister:in mit ihren Kompetenzen und ihrer Berufserfahrung stehen. Und sie sollten überlegen, welches Honorar sie zum Leben benötigen. Dann legen sie sich auf ein Maximal- und ein Minimalziel fest. Also das Traumhonorar und den Betrag, den sie mindestens erreichen müssen, damit sich der Auftrag lohnt. Zum Schluss stellen sie verschiedene weitere Forderungen zu einer Verhandlungsmasse zusammen, die sie mit verhandeln können, etwa bestimmte Software-Lizenzen, über die sie verfügen, Lieferfristen, Korrekturschleifen oder Nutzungsrechte.

 

lexfree: Wie gelingt es im Gespräch, das Traumhonorar zu erzielen?

Anja Henningsmeyer: Das Honorar ist nur ein Faktor bei der Entscheidung, ob die Dienstleistung eingekauft wird oder nicht. Für Kund:innen wird der Preis erst dann zum Problem, wenn die Kosten für sie in keinem angemessenen Verhältnis zum Nutzen steht. Deshalb geht es zunächst einmal darum, sich selbst und sein Angebot so zu präsentieren, dass Kund:innen davon überzeugt sind. Fazit: Den Preis nicht zu früh nennen. Außerdem müssen Sie selbst von Ihrem Preis überzeugt sein. Sie müssen ihn auch körpersprachlich sicher vertreten können.

 

lexfree: Müssen denn Anbietende einen Preis nennen? Manchmal ist es schwer vorab einzuschätzen, was der Andere bereit wäre zu zahlen.

Anja Henningsmeyer: Es kommt darauf an. Es sollte die- oder derjenige den Preis zuerst nennen, die oder der die präziseste Idee davon hat, was auf der anderen Seite möglich ist. Wenn Sie zu sehr darüber oder darunter liegen, ist das schlecht für Sie. Die erste Zahl ist immer ein Anker, an dem man sich abarbeitet. Wer keine genaue Vorstellung von der ‚Zone der möglichen Einigung‘ hat, kann abwarten und bei der Frage nach dem Preis eine Gegenfrage stellen. Ich würde grundsätzlich immer versuchen, so viel wie möglich darüber herauszufinden, was dem anderen wichtig ist in der Zusammenarbeit und diese Nutzenfaktoren hervorheben.

 

lexfree: Ein typischer Einwand ist: „Dafür ist unser Budget nicht groß genug.“ Oder auch: „Normalerweise zahlen wir aber nur einen geringeren Stundensatz.“ Wie lässt sich darauf geschickt kontern?

Anja Henningsmeyer: Am besten ebenfalls mit Gegenfragen. Dass ein:e Verhandlungspartner:in mit mir am Tisch sitzt, zeigt doch, dass er oder sie Interesse an mir hat. Dieses Interesse ist wahrscheinlich nicht rein monetär begründet. Und genau das muss ich herausfinden: Was ist ihr oder ihm wichtig? Wenn ein Einwand kommt, fragen Sie zurück: „Was hatten Sie sich denn vorgestellt?“ Oder: „Haben Sie mit dieser Art von Dienstleistung schon Erfahrungen gesammelt?“ Finden Sie heraus, weshalb sie oder er zu solch einer Aussage kommt. Mit Gegenfragen lässt sich außerdem Zeit gewinnen. Und manchmal hilft es, gar nicht darauf einzugehen. Was passiert denn, wenn Sie zu solchen Statements erst einmal schweigen? Manche versuchen nur zu provozieren und zu schauen, wie weit sie damit kommen.

 

lexfree: Telefonieren wird – insbesondere in der jungen Generation – immer unbeliebter. Viele fühlen sich am Hörer unsicher. Ist das schriftliche Verhandeln ein guter Ausweg?

Anja Henningsmeyer: Neben der E-Mail und dem Telefongespräch haben wir auch noch Online-Chats, Videocalls und das persönliche Gespräch. In Verhandlungsprozessen, bei denen die Atmosphäre ja aufgrund der unterschiedlichen Interessen oft etwas angespannt ist, sollte man das Medium sehr bewusst wählen. Ich würde dringend davon abraten, von Anfang an per E-Mail zu verhandeln. So baue ich keine persönliche Beziehung auf, weil mir zu viele Informationen über mein Gegenüber fehlen. Am Telefon kann ich sofort auf das eingehen, was mein Gegenüber sagt. Das ist ein ganz anderer Austausch als per E-Mail, die zudem ein hohes Potenzial für Missverständnisse birgt. Zumindest würde ich erst einmal mit Interessent:innen sprechen, bevor ich ihnen ein Angebot schicke.

 

lexfree: Insbesondere bei Auftragsflaute fällt es schwer, ein Projekt abzulehnen, selbst wenn es schlecht bezahlt ist. Wann ist dennoch der Punkt gekommen, „Nein“ zu sagen?

Anja Henningsmeyer: Wenn das Minimalziel nicht erreicht wird oder Sie merken, dass Sie mit Ihrem Gegenüber menschlich keine gute Ebene finden. Überlegen Sie sich vor der Verhandlung Ihre beste Alternative. Also: Welche andere Möglichkeit habe ich, wenn ich mich mit diesem Kunden, mit dieser Kundin nicht einige? Diese Alternative ist Ihr psychologisches Rückgrat. Es gibt immer eine Alternative zu einem schlecht bezahlten Auftrag. Gut, dann wird es in diesem Monat etwas knapp, aber dann ist die Zeit sinnvoll investiert in Kaltakquise oder eine Fortbildung. Das hilft Ihnen, mit erhobenem Haupt aus einem Gespräch herauszugehen statt einen schlechten Deal abzuschliessen, den Sie hinterher bereuen.